Wir konnten die Fahrt wieder aufnehmen. Schon bald hörten wir ein unbeschreibliches Rauschen und Krachen. Wir alle schauten uns mit großen, dunklen Augen an. Dieses Krachen ließ uns allen einen Schauer über den Rücken laufen. Nach jedem Krachen spürten wir alle, wie sich uns am ganzen Körper die Haare aufstellten. Aus unseren Augen sprach das blanke Entsetzen. Das mussten die Symplegaden sein, die uns Phineus beschrieben hatte. Zwei Felsen, die nicht fest auf dem Meeresgrund verankert sind, die mit der Wasserflut hin und her schwingen und alles zermalmen, was zwischen sie gerät.
Schneller als uns lieb war, sahen wir diese zwei gewaltigen Felsen vor uns auftauchen. Sie schlugen mit solcher Wucht gegeneinander, dass das Wasser hoch aufspritzte und unsere Gesichter, ach, was sage ich, unsere ganzen Körper waren von dem kalten Wasser völlig durchnässt. Wir hatten das Gefühl nicht mehr an Bord unserer `Argo´ zu stehen, sondern bereits ins Wasser gestürzt zu sein. Wir rangen nach Luft. In so einem Moment fragt man sich dann, was man an diesem Ort sucht. Man würde am Liebsten kehrt machen.
König Phineus hatte uns gesagt, wir würden eine Taube durch die Felsen hindurch fliegen lassen. Würde diese Taube unversehrt die andere Seite erreichen, so wären die Strömungsverhältnisse so gut, dass uns unserer Steuermann Tiphys auch sicher hindurch brächte. Mit einem kräftigen Stoß schickten wir eine Taube durch die Felsen. Doch schon schlugen die Felsen wieder zusammen und über uns schlug das Wasser wieder hinweg. War die Taube nun unversehrt hindurch gelangt oder nicht? Keiner wusste es mit Sicherheit zu sagen. Wir schickten den nächsten Vogel los. Dieses Mal sah allerdings jeder von uns, dass die Taube zwischen den Felsen zermalmt wurde. Jetzt hatten wir nur noch eine einzige Taube.
`Komm, Mädchen! Gib, dein bestes!´, schrie Orpheus hinter ihr her. Vor den Felsen jedoch flog die Taube eine schwungvolle Kurve und kehrte zu uns zurück.
Wieder ein Krachen, wieder schwabbte eine große Welle über uns und unser Schiff hinweg. Mittlerweile waren wir durchnässt bis auf die Haut. Uns war es bitterkalt. Wir mussten es jetzt zu Ende bringen. Voller Verzweiflung schickten wir die Taube ein letztes Mal auf den Weg. Die Felsen schlugen direkt hinter ihr zusammen. Ein paar Schwanzfedern wirbelten im Wind davon. Von der anderen Seite hörten wir noch ein Gurren, bevor uns die Welle wieder erreichte. Sie hatte überlebt! Sie hatte überlebt! Jetzt galt es so schnell wie möglich zu handeln.
Schon öffneten sich die Felsen wieder und Tiphys trieb uns alle an, so kräftig wir nur könnten zu rudern. Wir gaben unser bestes und doch waren wir kaum zwischen den Felsen, als diese sich auch schon wieder einander zuneigten. So sehr wir auch ruderten, hatten wir den Eindruck, wir kämen nicht ein winziges Stück voran. Unser Mut schmolz gänzlich dahin. Wir würden es niemals schaffen.
`Athene´, schrie ich.` Steh uns bei. Hilf uns.´
Kaum war dieser Ruf zwischen den Felsen verhallt, als ich spürte, wie eine ungeheure Flutwelle unser Schiff nach vorne stieß. Direkt hinter uns krachten die Felsen aneinander. Die letzten Bretter an unserem Heck zerbarsten.
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